Der Gemeinderat behandelte den Tagesordnungspunkt „Nutzung der Windenergie in der Gemeinde Saarwellingen“ im öffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung vom 12.09.2019. Bei der Abstimmung wurde der Windpark mehrheitlich abgelehnt, wofür wir in den letzten Monaten hart gekämpft haben.
Nachfolgend finden Sie die Stellungnahme unserer Gemeinderatsfraktion, die von unserem Fraktionsvorsitzenden Dr. Horst Brünnet vorgetragen wurde:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
das Thema Windenergie am Fuße des Hoxbergs wandert nun schon seit 2004 durch die Gemeinde und ihre Gremien. Bisher kam es aber trotz beschlossener Verträge nie zu einer Umsetzung. Wir als Freie Wähler Gemeinschaft wiesen schon von Beginn an darauf hin, dass eine Nutzung der Windenergie mit Nabenhöhen von 80 m oder 120 m aufgrund der Schwachwindlage nicht funktionieren kann; der damalige Investor wollte es besser wissen und konnte in Folge das Projekt nie umsetzen. 2012 wurde der Nutzungsvertrag dann letztmalig abgeändert, es wurden Nabenhöhen von bis 160 m vereinbart und im Gemeinderat leider auch beschlossen. Seit Ende letzten Jahres liegt nun ein neues Konzept des neuen Investors ENOVOS vor, bei dem Nabenhöhen bis zu 166 m vertraglich festgeschrieben werden sollen. Nach Diskussionen in den Gremien liegt nun eine Fassung vor, die noch drei der ursprünglich vier geplanten 4 MW Schwachwindanlagen realisieren will mit einer Gesamtanlagenhöhe von bis zu 246 m.
Seitdem waren wir als Verein und Fraktion sehr aktiv, um den Bürgerinnen und Bürgern einen transparenten Blick auf das Großprojekt zu verschaffen, u.a. mit Flyern, einem Infostand auf dem Marktplatz zum Thema, Online-Aktionen und einer Info-Veranstaltung in der Festhalle.
Der Vertrag in der jetzigen Fassung scheint auf den ersten Blick viele Vorteile für die Gemeinde zu bringen: Pachteinnahmen, Gewerbesteuereinnahmen und ein kostenloser Stromanschluss für unsere Ausflugsziele im Naherholungsgebiet rund um den Wolfsrath und die Mühlenbergschluchten Tour. Die Hausaufgaben wurden gemacht, Leckerlis in Aussicht gestellt. Aber ein genauerer Blick in den Vertrag ist angebracht:
- 20 Jahre Laufzeit ohne ordentliches Kündigungsrecht.
- 3.000 m² Flächenverbrauch nur für die Einrichtung der Arbeitsflächen pro Windkraftanlage.
- Zuwegbarmachung für Schwertransporte.
- Und der etwas versteckte aber ganz entscheidende Punkt: Keine Aufforstung von Bäumen und Sträuchern höher 10 m sowie Errichtung von Bauwerken oder Hindernissen in 1.000 m Entfernung der Anlagen. Man höre und staune: 314 ha pro WKA, die nicht mehr beplant oder bepflanzt werden dürfen, das sind in Summe bei 3 Anlagen fast 1.000 ha. Im Vergleich: Beim Industriepark John geht es um 4,2 ha, hier sprechen wir von 1.000 ha!
Es geht in dem neuen Vertrag also nicht nur um die 166 m maximale Nabenhöhe, sondern auch um weitere Textpassagen, die so nicht einfach zu übernehmen sind.
Das alles ist in diesem Maße überhaupt erst möglich, weil der Ausbau der Windenergie in Deutschland privilegiert wird. Man stelle sich vor, irgendein produzierender Betrieb aus dem John würde den Antrag stellen, seine Produktionsfläche mitten in das Waldgebiet mit Naherholungscharakter und ausgewiesener Wasserschutzzone umzusiedeln. Undenkbar. Aber Windkraftanlagen sind nichts anderes als stromproduzierende Industrieanlagen. Wir reden hier und heute also über nichts anderes als über einen neuen Industriepark.
Hauptargument und –treiber des Ausbaus der Windenergie und anderer regenerativer Energieformen ist der Klimawandel. Es ist eine Jahrhundertherausforderung unseren Kindern und Enkeln eine vernünftige Grundlage zu hinterlassen. Dessen sind wir uns auch hier in der Kommunalpolitik bewusst. Aber auch hier gilt es abzuwägen: welchen Beitrag liefert denn der hier installierte Onshore Schwachwindanlagenpark wirklich zum großen Ganzen? Wie rechnet man Artenschutz- und Naturbelange mit Klimazielen gegen? Wenn es nach dem Bundesverband Windenergie BWE geht, ganz einfach: Artenschutz auflockern, wenn schon privilegiert, dann ganz. Man möchte lästige Klagen von Anwohnern, Bürgern und Bürgerinitiativen loswerden. In der Titel-Story des GEO vom August 2019 wird nicht umsonst gefragt: „Gut fürs Klima, schlecht für die Natur?“. 8.500 Mäusebussarde sterben alleine in den vier norddeutschen Bundesländern pro Jahr, 250.000 Fledermäuse pro Jahr in Folge des Rotorschlags. Trotzdem bleibt der Natur- und Artenschutz meist 2. Sieger, da die Windkraftindustrie und deren Verbände mit dem Anspruch auftreten, die Welt zu retten.
Das Krisentreffen beim Bundeswirtschaftsminister Altmaier zeigt, wie stark der Ausbau in der Klemme steckt und dass längst nicht mehr jeder hinter der „Augen- zu-und-durch“ Strategie der letzten Jahre steht. Selbst Natur- und Umweltverbände sind sich nicht einig darüber, ob es ein Segen oder Fluch ist, siehe BUND vs. NABU, um nur ein Beispiel zu nennen. Wie verbittert hier gekämpft wird mussten wir selbst bei unserer Infoveranstaltung erfahren.
Wir möchten hier nicht als Windkraftgegner und –verhinderer auftreten. Dennoch muss jedes Projekt einzeln bewertet werden. Das haben wir bereits 2006 gemacht und sind damals wie heute davon überzeugt, dass dieses Projekt weder ökologisch noch ökonomisch Sinn macht.
Aus unserer Sicht kann man auch kein Preisschild an unser Naherholungsgebiet machen, an unserer Tourismuskonzept und die Traumschleife. Als Prof. Schröder bei der letzten Vorstellung zum Stand des Tourismuskonzepts davon sprach, dass man den Naherholungswert als Ganzes betrachten und als Produkt sehen kann (mit Schwimmbad, Wildfreigehege, Wanderweg, möglichen Wohnmobilstellplätzen), da sprach er uns als FWG-Fraktion aus der Seele. Was er aber sich nicht meinte ist, dass wir das Gebiet in ein paar Jahren dann – zynisch gesprochen – als Produkt „Rotorschluchtenweg“ vermarkten sollten. Aus unserer Sicht passt der Windpark mit unseren Bemühungen zum Tourismuskonzept in keinster Weise zusammen.
Es sei noch einmal darauf verwiesen, dass auch aus technischer Sicht die Anlagenkonzeption gewagt ist. Die vom Anlagenhersteller Enercon bzw. Lagerwey vorliegende Power Curve eines in Frage kommenden Anlagentyps liefert bei der prognostizierten mittleren Windgeschwindigkeit von 5,5 m/s gerade einmal ein Viertel ihrer installierten Leistung: Vermarktet werden beim Bundeswirtschaftsministerium dann 12 MW installierte Gesamtleistung, geliefert werden im Schnitt 3 MW – wenn überhaupt. Stillstandszeiten nicht mitgerechnet, die in Zeiten von Überangebot entstehen, da das Netz den Strom nicht abnehmen kann. Im Jahr 2017 entstanden so bundesweit laut Bundesnetzagentur schon 610 Millionen EUR Entschädigungsansprüche, die wiederum auf den Strompreis umgelegt werden (WELT online vom 11.12.2018). Der Betreiber bekommt sein Geld – er hätte ja einspeisen können, die Windräder stehen aber defakto still. Nur eine von vielen Baustellen dieses Themas.
Zum Schluss aber möchten wir auch noch einmal auf die Nachhaltigkeit von kommunalpolitischen Entscheidungen hinweisen: Im öffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung vom 16. Dezember 2016 hatte der Gemeinderat im Rahmen des Scoping-Verfahrens über den Windpark in der Nachbargemeinde Schwalbach zu entscheiden. Der Gemeinderat lehnte auf unseren Antrag hin die Ausweisung von 3 Potenzialflächen und somit der Bau der Windräder, die heute entlang der Autobahn A8 thronen, EINSTIMMIG ab. Die Begründungen, die in der Niederschrift nachzulesen sind waren u.a. die Nähe zur Ortsbebauung des Ortsteiles Schwarzenholz sowie die Opferung ganzer Waldflächen für die Windenergie. Für unseren eigenen Ortsteil Saarwellingen sollten wir also die gleichen Maßstäbe ansetzen.
Die FWG-Fraktion bleibt bei Ihrer grundsätzlichen Ablehnung des Windparks und lehnt den neuen Vertrag aus vorgenannten Gründen ab. Wir stimmen entsprechend gegen die Beschlussvorlage.“